Ich hab ihn noch nicht gesehen, und er wird ja allgemein erstaunlicherweise doch gelobt, aber was mir bei Borat und ähnlichen Versteckte Kamera-Dingen immer unrecht ist, ist die nahe Verwandtschaft mit dem, was Trick-Betrüger (und Tele-Marketer) so tun: ein Gespräch beginnen und jenseits der erwarteten Pfade weiterführen. Wie das funktioniert, ist leicht erklärt: sobald man einmal ein social commitment eingegangen ist, und jedes Gespräch alleine schon ist ein solches, muß schon einiges passieren, um dieses eigenständig wieder zu lösen.
Dass sich das ausnutzen läßt, sagt wenig über die jeweiligen Gesprächspartner aus. Auch nichts über die "Leichtgläubigkeit der Leute" allgemein, sondern eher etwas über die normalen Bedingungen, unter denen dieser Mechanismus entstanden ist. Will heißen: Interaktion muß regelgemäß wahrhaftig sein.
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Ich habe ihn auch noch nicht gesehen. Aber ließe sich nicht argumentieren, dass das Experiment Wahrheit produziert, gerade weil das commitment den Rahmen setzt, in dem sich die Leute hinter dem zu verschanzen zu vergessen, was sie sonst so als ihre politisch korrekte Meinung auszugeben wissen? Die Probe aufs Exempel liegt darin, dass das Gespräch - wenn ich recht lese - in manchen Fällen mehr oder minder entrüstet abgebrochen wird. Wenn nämlich etwas denn doch mit den eigenen Überzeugungen zu arg in Kollision gerät. Natürlich ist das ein "gemeiner Trick", aber das Gemeine, würde ich denken, liegt darin, dass er aus den Leuten Dinge holt, die sie in neutralen Situationen nicht äußerten, aber unter ihresgleichen dann zu äußern beginnen.
(Wie ein Borat es schafft, sich als "ihresgleichen" zu produzieren, und zwar unterm Deckmantel der "kulturellen Differenz", das ist noch einmal ein hoch interessantes Kapitel für sich. Das geht ja ungefähr, wenn ich recht lese, mit dem Argument: Bei uns in Kasachstan sind wir noch ganz offen so, wie ihr hier nicht mehr sein dürft.)
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dass er aus den Leuten Dinge holt, die sie in neutralen Situationen nicht äußerten, aber unter ihresgleichen dann zu äußern beginnen
Ja, das ist natürlich die Behauptung dahinter. Halte ich aber nur für begrenzt wahr und begrenzt aufklärerisch. Oder für so wahr eben, wie ein Hütchenspieler Gier aufdeckt, oder ein Heizdeckenaufschwätzer, äh, Bedürfnis nach Wärme.
Was das hauptsächlich aufdeckt ist, wann Leute das Gespräch abbrechen. Das wird schon mit ihrer Einstellung zusammenhängen, aber sicher auch mit weiteren, konfundierenden Faktoren (Höflichkeit, vermuteten sozialen Konventionen, bzw. im Borat-Fall sogar Unsicherheit darüber, welche Konventionen gelten, etc. etc.). Und das in einem Maße, das das Experiment nahezu aussagefrei werden läßt, denke ich.
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Man müsste das wirklich sehen. Aber vielleicht geht es genau darum: Man muss das sehen. Man muss das gesehen haben.
Womöglich geht es tatsächlich weniger um das Aufdecken unbekannter Wahrheiten, sondern mehr um Evidenzeffekte. Und man muss schon einen knallharten Aufklärungsrationalismus vertreten, um solche Evidenzeffekte sofort als Manipulationsfolgen zu betrachten. Gewiss kommt es da zu "Unreinheiten", die dem Überrumpelungsdesign geschuldet sind: da wird nicht nur "Wahrheit" produziert, da geht es auch um die Performanz des Entlockens. Man kann das für erkenntnistheoretisch wie moralisch bedenklich halten, aber raffiniert ist es eventuell schon. Und: erhellend. (Und offensichtlich nicht nur nebenbei auch: komisch.)
(Ich lese ja wie zur Beruhigung auch, dass Borat nicht Michael Moore ist. Aber diese Frontalkonfrontationssituationen finde ich sogar das Spannendste und Überzeugendste an Moore.)
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Ja, vielleicht. Was auch immer da erhellt wird. (Auch hinzukommend: sollte man im eigenen Land machen, gibt's genug zu tun.)
Meine Reserviertheit liegt vielleicht auch zum Teil daran, dass ich peinliche Situationen kaum aushalten kann, auch nicht von Trotteln. Peinlichkeiten anderen Leute zumindest, meine eigenen überstehe ich ganz gut, wie damals zum Beispiel, als ich beim 80. meiner Oma die Nachbarin Frau Fuchs mit Schokoladenmousse übergossen habe aus Versehen und ihr dann mit Kleenex hantierend die Perücke verrückt habe.
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mir gehts ähnlich und anders. also: ich kann das kaum sehen, hat aber irgendwie doch meine sympathie. ich hab mir auf youtube mal heute ein paar von den bruno-clips angesehen und die fand ich schon teilweise großartig (u. a. wegen der deutschen sprechfragmente).
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OK, ich sollte wohl einfach zugeben, dass das hier nur der theoretische Überbau ist zu der Tatsache, dass ich komplett humorfrei bin. Ich habe gerade auch die Bruno-Sachen nur 20 sec max ausgehalten.
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die kamera ist ja nicht versteckt.
die denken: ach, kasachisches fernsehn, das kennt ja eh keiner (wo ist eigentlich kasakhstan?), egal.
sieht man ja auch manchmal bei auslandsjournal o.ae., die leute machen da fuer das deutsche fernsehn auch dinge, die sie in ihrem eigenen tv nicht machen wuerden.
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Mhm, stimmt natürlich, das mit "Versteckte Kamera" oben war falsch. Mir ist kein besserer Gattungsbegriff eingefallen, ich meinte einfach nur "Überrumpelung". Mit laufender, offensichtlicher Kamera funktioniert das ja nur noch besser (siehe wieder: Hütchenspieler, die auch immer gleich Publikum mitbringen, das das Opfer anschaut).
"kennt ja eh keiner, kann ich ja ruhig mal die Wahrheit sagen" -- kann man alles so deuten, muß man aber nicht. Mir ist das zu naheliegend um richtig zu sein.
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Last update: 20-02-20 05:48
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nostalgisch. War schon irgendwie eine gute Zeit / Sache.
Gibt's ja noch. Nur die Kommentare sind weg. Und wie bekomme ich das...
(Heutzutage würde man sowas wohl twitpicen, aber das besitze ich leider nicht.)
gratuliere! (und falls Sie verhandeln müssen, kann ich ein...
Geschäft ist man ohnehin mehr auf Achse als zu...
Provinz... Eine ost-westfälische Stadt, deren Existenz gelegentlich angezweifelt wird...
