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"Bilanzselbstmord" führt da das ZEIT-Magazin in einem Artikel so ganz selbstverständlich als typische Selbstmordgattung ein.

Nein, keine düsteren Gedanken hier, nur die Frage, ob die Zeit / Lust / Energie / etc reicht für einen Jahresbilanzeintrag, oder ob der auch schon über die Wupper ist.

Na gut, wenn man einmal angefangen hat, tut es gar nicht mehr weh.

Was ich von der (mentalen) "Zu Tun"-Liste nehmen kann: "Jahresrückblick für 2007 schreiben". Hatte ich ungelogen immer noch vor, als ich im Januar 2008 aus den Weihnachtsferien gegangen bin. Dann war plötzlich das Jahr 2008 auch schon wieder um.

Das wäre dann auch schon der Tenor eines Rückblickes auf '08. Wo isses denn hin?

2008 war das Jahr, in dem ich nur noch mental gebloggt habe. Mindestens 10 mal habe ich gedacht "könnt ich was zu schreiben in mein Online-Tagebuch". Ich habe mir sogar (total witzige, spritzige) Formulierungen ausgedacht. (Sogar die zwei Kommentare habe ich schon mitgedacht.) Bin dann aber nicht dazu gekommen, sie auch hier rein zu tun.

Was seltsam ist, denn 2008 war auch das Jahr, wo das Internet endlich (hurrah!) überall war, dank iPhone 3G, und also auch mein Online-Tagebuch prinzipiell immer erreichbar.

Was vielleicht ein Teil der Erklärung ist. Was immer da ist, ist immer auch in jetzt+n Minuten (für beliebige positive Werte von n) noch da.

Der andere Teil der Erklärung ist, dass ich mich selbst und mein soziales Netzwerk schon so internalisiert habe (siehe oben), dass das Denken von Einträgen ungefähr den gleichen Effekt hat wie das Eintragen von Einträgen.

Das ist der Solipsismus wo man mit muß.

Wenn es keine #-Taste gäbe, müsste man sie erfinden.

Lehre als Extrembergsteigen: ich habe gelernt, dass ich unsinnige Mengen von Semesterwochenstunden Lehre überleben kann. Das bereitet ein wenig Genugtuung, aber im Prinzip würde es mir eigentlich auch reichen, diese Erfahrung jetzt in mein mentales Poesiealbum eintüten zu können und dann wieder mit meinem halbwegs selbstbestimmten Elfenbeintürmeln weiterzumachen. Das Semester geht aber noch einen Monat lang.

Gut, dass ich nicht die Zeit / Lust / Energie / etc habe, wieder sowas zu machen, ich würde ich nur in eine Bilanzmelancholie verfallen. Auch wenn ich respektable Teile meines Gehaltes an Amazon überwiesen habe, waren nur kleine Teile davon schöne Buchstaben. Von letzteren sind viele nur angelesen worden. (Siehe auch hier, also kein ganz neues Phänomen.)

Dreh Dich um, Engel der Geschichte! Vorwärts immer, rückwärts nimmer! 2009 kommt, ein tolles Jahr. Um mal im Futur II den Engel umzudrehen: ein Jahr, an dessen Ende ein Jahr vorbei sein wird (elegant ist das nicht, aber Futur II), das anders gewesen sein wird. Weniger Schlaf, vermutlich, aber dafür ein Stück mehr Life in der Balance. Wir taten es für (u.a.) Deutschland. Davon dann aber mehr demnächst.

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Ich dann auch mal: das war 2007

Man kommt ja zu nix. Z.B. wollte ich vor ein paar Monaten ein Photo eines, ja sogar meines 10kg Reissackes hier reintun, mit dem Untertitel `I've got a Reiskocher and I know how to use it'. Jetzt ist der Reissack fast leer, und das Jahr ist auch um. Meine Jahresendlaune hatte ich wiederum zu früh, im November, als alle Reisen getan waren. Da bilanzierte ich kurz mal schwermütig. Jetzt hab ich gerad' wieder überhaupt keine Zeit dafür.

Aber trotzdem kurz, liebes Tagebuch, als ein Stein in das ruhelose Fließen geworfen: 2007 war, äh, hauptsächlich sehr schnell. Beruflich erfolgreich, jadajada, comes at a cost, jeden Monat auf mindestens einer Bühne gestanden, Varianten des gleichen oder von neuem erzählt, entsprechend (zu) viele Bahnhöfe und Flughäfen gesehen, in (zu) vielen Hotelzimmern Folien gebastelt. Mit Skatprofi-geprüft gemischten Gefühlen richtig Cheffe geworden und (über) Mitarbeiter geärgert. Yadayada. Anflüge von Zweifel darüber, was wäre, wenn die nach Marslowe und Fliegengruber so dringend benötigte Bestätigung nicht aus dem Beruf käme, ob sonst jemand zu Hause wäre. Yadayada.

Geht das so weiter? Für 2008: Beständigkeit über Schnelligkeit, lange (und langsame) Veröffentlichungen über kurzen neuen. Cheffismus mit menschlichem Antlitz. Usw.

Mit Liste bekritzelter Stein im Fluß: zum Vergnügen Gelesenes 2007. Drei ewige Themenblöcke, auch dieses Jahr: i) der Versuch zu verstehen, wie die andere Hälfte denkt (die seltsamen Leute, die Relativismus / postmoderne Philosophie für anderes als Quatsch halten); ii) japanische Literatur (warum nicht); iii) endlich wieder mehr deutsche dischter lesen (gescheitert. Ich gehe in Buchhandlungen, schlage die Deckel auf, es schauen mich alte Herren oder freche Buben an, ich schlage die Deckel zu. Werde mich erstmal an Ulrich Peltzers Back-Catalogue halten.).

Wie auch beim letzten Mal dienen die Bücher auch als Souvenirs, als Erinnerungen an die Buchläden, in denen sie gekauft wurden. Wie auch beim letzten Mal fehlt die Zeit und das Talent, etwas Schlaues zu den Büchern zu schreiben; ich werde sie also durch Stille oder, schlimmer, durch mangelnde Stille beleidigen.

  1. Clifford Geertz, Available Light

    Sammlung von Geertz' an ein etwas weiteres Publikum gerichteten Essays. OK, halbwegs nachvollziehbare Verteidigung von relativistischen Positionen (durch Enteignung von selbst als extrem empfundenen Varianten), doch nicht wirklich erhellend, was Grundprobleme angeht. (Cambridge.)


  2. Erich Auerbach, Mimesis: Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur

  3. Daniel Dennett, Sweet Dreams

    Searles Chinese Room ist eh Quatsch, klar, brauch man eigentlich nicht nochmal zu lesen, dass das so ist, kann man aber, wenn es so unterhaltsam geschrieben ist. (Edinburgh; in Budapest gelesen)


  4. Douglas Hofstadter, I Am A Strange Loop

    Jugendheld, hier durchaus in Form. Selbstbewußtsein passiert, wenn Repräsentationen rückkoppeln. OK, klingt gut, Butter bei die Fische tut Hofstadter aber natürlich nie.


  5. Kobo Abe, The Woman In The Dunes

    Japanischer Existentialismus. Typ geht wandern (genauer: geht Sandinsekten sammeln). Verirrt sich. Begegnet leicht merkwürdigen Dorfbewohnern. Diese bieten ihm Unterkunft an in Haus am Boden eines Dünenkraters, in dem alleinstehende Frau wohnt. Überall rinnt Sand in das Haus. Am nächsten Morgen stellt er fest, dass er die Wände der Düne nicht erklimmen kann, und dass die Leiter, über die er hinuntergestiegen ist, verschwunden ist. Langsam begreift er, dass sein neuer Job ist, dabei zu helfen, den unablässlich in die Wohnung rinnenden Sand aus der Wohnung zu schaufeln, und dass er jetzt der Mann der Frau ist. Er versucht ein paar Mal zu fliehen. Er findet sich ab. (London)


  6. Saul Bellow, Dangling Man

    (London)


  7. Leonard Cohen, Beautiful Losers

    In Teil der Lösung erwähnt. Vor sehr langer Zeit hatte ich mal The Favourite Game gelesen; das hat mir allerdings wesentlich besser gefallen. Das hier ist hauptächlich für die Erkenntnis interessant, dass man auch 1966 schon sehr orgiastisch und drogenböse schreiben konnte, lange vor Altamont. (New York)


  8. Joan Didion, We Tell Ourselves Stories in Order to Live - Collected Non-Fiction

    Gesammelte Reportagen. Einfach nur großartig. (In kleinen Dosen genossen. (Zum Beispiel in der Bahn. (Haha.))) So geht Journalismus.


  9. William Gibson, Spook Country

    Eher enttäuschend. Nicht schlecht, aber das war's auch.


  10. Feller et al. (eds.), Perspectives on Free and Open Source Software

    (London)


  11. Slavoj Zizek, The Ticklish Subject

    (London)


  12. Yasushi Inoue, Schwarze Flut

  13. Yasunari Kawabata, The Scarlet Gang of Asakusa

  14. Ryu Murakami, In der Misosuppe

    Beitrag zu den Bret-Easton Ellis-Gedächtnis-Festpielen, Kategorie `einfallsreiche Todesarten'. Für sowas bin ich eigentlich zu zart besaitet.


  15. Ryu Murakami, Coin-Locker Babies

    (New York)


  16. Kenzaburo Oe, Eine persönliche Erfahrung

    Auf antarktische Empfehlung hin gelesen. Wirklich sehr gut.


  17. Richard Powers, The Echo Maker

    Irgendwo gelobt gefunden. Aber eher egal. Roman mit Thema, und auch noch einem, in dem ich mich ein wenig auskenne (Bewußtsein, Neurowissenschaft, etc.) -- schwierige Ausgangsposition. Solide abgehandelt, aber auch nicht viel mehr als ein GEO-Sonderheft.


  18. David Peace, Tokyo Year Zero

  19. Philip Roth, Exit Ghost

    (Edinburgh)


  20. Jun'ichiro Tanizaki, The Key

    (London)


  21. Adrian Tomine, Shortcomings

    (New York)


  22. Bernard-Henri Lévy, Sartre

    Habe wohl einen Fehldruck erwischt. In meiner Ausgabe sind die meisten Abschnitte nicht ausformuliert, Nominalphrasen und Halbsätze liegen einfach so rum ("Sartre und die Frauen. Ewiges Thema. Ein weiterer Beweis. Gide als Übervater."), auch scheint Material aus Lévys eigener Biographie dazwischen geraten zu sein. DTV, was ist da passiert?


  23. Orhan Pamuk, Istanbul

    Nachdem ich einmal begriffen hatte, dass das eher Essays sind, frei flottierende Erinnerungen, und dass man diese in beliebiger Reihenfolge lesen kann, bin ich doch noch reingekommen. Und habe es sehr genossen. Die Schilderung seiner Entwicklung hin zum Bekenntnis / zur Erkenntnis "ich werde Schriftsteller" ist gut gelungen.


  24. Ulrich Peltzer, Teil der Lösung

  25. Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge

    Fehlgeleiteter Wahl-Modernismus und atmosphärische Studienrat-Spöttung hielt mich irgendwie immer von den deutschen Klassikern ab. Schön, dass mir dieser passiert ist. Seltsame Verwirrung darüber, wie modern das alles ist -- auch die Frühform des modernen Lebens scheint schon gut genervt zu haben.

    (Ein anderes Thema, an dem ich arbeite: Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er viel größer ausschaut, als er ist. Ob man Seneca, Montaigne, Burton, Rilke oder Weblogs liest, die Beschwerden sind immer gleich. ("Mehr Zeit!") Das könnte einen verleiten zur Behauptung, es ändere sich nichts. Andererseits muß die Lehre aus der Geschichte auch sein, dass Zivilisation nothing but a dünner Firniß ist, in wenigen Jahren kassiert werden kann.)


  26. Johan Wolfgang Goethe, Die Wahlverwandschaften

    Siehe oben. Dermaßen postmodern-offensichtlich komponiert! "Es gibt da Elemente, die müssen sich einfach verbinden, egal ob ihnen das erlaubt oder nicht", sagt der Mann zu seiner Frau, und: "lass uns doch Deine Tochter und meinen Freund einladen".

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(Heutzutage würde man sowas wohl twitpicen, aber das besitze ich leider nicht.)
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Herzlichste Glückwünsche!
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Naja, die 9 SWS Lehre
sollten einen schon ganz gut am Ort halten.. Aber...
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Halb so wild. In dem
Geschäft ist man ohnehin mehr auf Achse als zu...
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Danke. Ein wenig in der
Provinz... Eine ost-westfälische Stadt, deren Existenz gelegentlich angezweifelt wird...
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Oh! Congrats! Wo denn,
wenn man fragen darf?
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